Neue Anforderungen an Führungskräfte

Überall dort, wo Führungsnachwuchs oder gestandene Führungskräfte gesucht werden, sind die Anforderungen an diese Menschen drastisch gestiegen. Für erstklassiges Management brauchen wir hohe Sozialkompetenz, exzellente Ausbildung, akademisches Wissen gepaart mit praktischer Expertise. Diese Kombination ist auf Managementebene zunehmend gefragt. Nur – wie kann sie entstehen? Umdenken ist gefragt!

Führungskräfte werden in Zukunft nicht allein daran gemessen, wie oft sie „an der Front“ sind und ob sie sich nicht zu schade sind, überall im Betrieb mit anzupacken, sondern vielmehr daran, welche wirtschaftlichen Ergebnisse sie für den Betrieb erbringen. Sie werden sich mit dem rasanten Wandel der Marktverhältnisse auseinandersetzen und dafür Lösungen entwickeln müssen. Analytische und strategische Kompetenzen sind mehr denn je gefragt. Kein Wunder, dass das Angebot an universitären Studiengängen, Berufsakademien etc. inzwischen fast unüberschaubar geworden ist. Die internationale Industrie versucht längst, ihre Leistungsträger mit MBA-Programmen fit zu machen. Mehr noch: Personalberater stellen bei vielen Rekrutierungsmandaten auf Managementebene fest, dass akademische Weihen von weltweitem Standard inzwischen zu einem „Must have“ in den Anforderungsprofilen von Führungspositionen geworden sind.

Keine Kompromisse bei der Führungskompetenz
Vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels gewinnen vor allem die Anforderungen an Führungs- und Sozialkompetenzen an Bedeutung. Unternehmen, die hier trotz aller Knappheit an guten Leuten Kompromisse eingehen, erweisen sich einen Bärendienst. Der demografische Wandel bringt noch eine zusätzliche Herausforderung bei der Rekrutierung oder Beförderung junger Chefs: Der Führungsnachwuchs steht erstmals in der Geschichte der Menschheit vor der Aufgabe, Teams führen zu müssen, die größtenteils erheblich älter sind als die neuen Chefs selbst, ja eventuell sogar genauso alt wie ihre eigenen Eltern.

Werfen wir einen Blick zurück: Als die großen Unternehmerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit starben oder sich aus der Leitung ihrer Unternehmen zurückzogen, wurden ihre Positionen meist von .s.g. lohnabhängigen Managern besetzt. Persönlichkeiten, die zwar voller Elan und Ideen waren, deren Handeln sich aber vorrangig an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen orientierte. Kopf statt Bauch lautete ihre Maxime. Das soziale Element blieb dabei vielfach auf der Strecke. Lange scheute man sich in dieser Zeit, Einzelpersonen herauszustellen. Man arbeitete nach dem Motto: „Wir alle sind ein Team“ und neigte zu Gleichmacherei. Dann entdeckte man, dass es offenbar doch Einzelpersonen sind, die durch ihr Handeln Unternehmen vorantreiben. Plötzlich wurden wieder kantige Managertypen akzeptiert – Persönlichkeiten, die man, bei allem Respekt, nicht gerade als einfach im persönlichen Umgang bezeichnen darf. Denen das offenbar aber jeder zugesteht, weil das unternehmerische Ergebnis stimmt. Sie alle haben Fähigkeiten gemein, die sie zu respektablen Führungspersönlichkeiten gemacht haben: Unbeugsame Willenskraft, die auf andere ausstrahlt und die dem Handeln oberste Priorität einräumt. Die Macher! Mit dem Führungsprinzip: „Wo ich bin, ist oben…“ Sie sind bereit, die verliehene Macht aktiv zu gebrauchen – nicht um sich daran zu berauschen, sondern um Entscheidungen zu beschleunigen und Ziele zu erreichen. Soweit so gut. Je mehr aber Kompetenz und Verantwortung dezentralisiert werden, bedarf es nun künftig auch auf den Management Ebenen unter dieser Führungsspitze zunehmend Fähigkeiten, mit denen sichergestellt wird, dass alle an einem Strang ziehen und alle Potentiale im Unternehmen optimal ausgeschöpft werden.

Früher waren die Häuptlinge die alten weisen Männer, die ihr Wissen an die Jungen weitergaben. Früher führte der Stammeshäuptling, der Chef, in der Regel mit seiner Seniorität, denn er war älter und erfahrener als seine Mitarbeiter. Mit seiner Weisheit, langjähriger Berufspraxis und hoher Fachkompetenz gab er den Ton an. Schließlich wusste er alles besser als seine Leute. Seine Mitarbeiter waren weniger kompetent. Er war der Vor-Macher, der Leitwolf. Er führte den Betrieb wie ein Wolfsrudel. Der Leitwolf hatte das Sagen, ihm ordneten sich alle unter. Er regelte alles, gab den Kurs und die Geschwindigkeit vor. Wenn ihm etwas nicht schnell genug ging, machte er es lieber selbst. Wenn er rannte, rannten alle. So hielt er die Mitglieder des Rudels klein und erschien selbst als der Größte. Der Macher von gestern trieb früher alles voran. Mitarbeiter schlüpften bei ihm unter. Das Motto lautete: Der Macher sorgt für dich. Dafür widmest du ihm und der Firma dein Leben.

Was die Führungskraft der Zukunft ausmacht
Führen in unserer heutigen Zeit funktioniert aber anders. Sind die jungen Führungskräfte darauf vorbereitet? Wie werden sie die Akzeptanz ihrer im Durchschnitt älteren Teams gewinnen? Um das entsprechende Talent und die Führungskompetenz bei jungen Nachwuchsleuten herauszufinden und zu entwickeln, suchen Betriebe zunehmend die Unterstützung von Experten, die über spezielle Auswahlverfahren verfügen. So konzentrieren sich z.B. Personalberater vermehrt auf die Analyse von emotionaler Intelligenz, Empathie, strukturiertem Denken, strategischen Fähigkeiten und auf das Entwicklungspotenzial eines Kandidaten statt auf die Frage nach Diplomen oder: „Was hat sie/er bisher schon fachlich bewegt?“ Leadership-Trainer setzen darauf dann mit ihren speziellen Schulungsmaßnahmen auf. Echtes Talent-Management gewinnt zunehmend an Bedeutung.

In weiten Teilen der Wirtschaft ist es noch Usus, dass gute Fachleute allzu leichtfertig zu Chefs gemacht werden. „Er ist fachlich gut, also kann er auch führen“. Dabei hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Ein guter Maschinist ist noch lange kein guter Kapitän. Führen will gelernt sein und sollte nicht nach Intuition „ausprobiert“ werden. Dafür ist das wichtigste Kapital des Betriebes – die Mitarbeiter -– zu kostbar.

Leading by Jazz
Während alle Welt darüber jammert, wie schwer es ist, qualifizierte Fach- und Führungskräfte zu finden, empfiehlt sich ein anderer Denkansatz: Wenn es denn schon fast aussichtslos ist, neue Mitarbeiter zu finden, sollte der Fokus vielmehr darauf gerichtet sein, die Produktivität und Motivation der Leute zu steigern, die bereits an Bord sind. Die hoch anspruchsvolle, unermüdliche Aufgabe des Team Leaders ist es, selbst den kleinsten Spieler im Team in die Lage zu versetzen, auf einem Niveau zu spielen, das er sich nie hätte träumen lassen.

Das Beispiel einer kleinen erfolgreichen Jazzband soll den Weg zu guter Führungsarbeit aufzeigen. Wer selbst einmal Mitglied einer solchen Formation war, kann recht gut nachvollziehen, wo die Wurzeln des Erfolges liegen. Die Musiker improvisieren, sehr locker, aber engagiert und mit immer größer werdendem Selbstvertrauen. Vor allem haben sie gegenseitig Respekt vor dem Können des jeweils Anderen und der Kraft der Individualität jedes Einzelnen. Im Gegensatz zu vielen Unternehmern heute haben sie keine Angst vor der Phantasie und den Ideen der Mitspieler. Warum auch, sie dienen schließlich der Bereicherung des Ganzen. Das begreift jeder gute Bandleader – warum tun sich so viele Führungskräfte nur so schwer damit? Hier liegt die größte Herausforderung an Führungsarbeit in den kommenden Jahren. Wer in Zukunft seinen Betrieb erfolgreich führen will, braucht mehr als Mitarbeiter, die ihren Job nur gerade mal „so la-la“ erledigen. Wer seine Kunden begeistern will, braucht Virtuosen. Das bedeutet einerseits Präzision, Frische, Originalität, innere Begeisterung und – das Handwerk (Instrument) beherrschen. Andererseits eben auch Vertrauen in die Leistung und das Talent der Mitarbeiter und Kollegen. Das ständige Herausfordern und Fördern, damit sie alles geben, was in ihnen steckt oder gar über sich hinauswachsen.

Was heißt das für den Alltag? Das nächste Gäste Check In des Empfangsmitarbeiters im Hotel, die sympathische, hilfsbereite und zügige Art, wie der Innendienst des Maschinenherstellers mit der Anfrage des Kunden umgeht, die unaufdringliche aber hochkompetente Beratung des Außendienstmitarbeiters oder Verkäufers im Laden… – all das passiert zum zigtausendsten Mal im Business Alltag. Was all diese vermeintlichen Routinen auch nach dem zigtausendsten Mal so virtuos, originell, frisch, ja peppig wirken lässt, das kann nur echte Führungsarbeit bewirken. Nicht erst Peters und Watermans Buch „In Search of Excellence“ ist bekannt, dass Spitzenleistungen in der Musik, im Sport, im Beruf – ja in allen Lebensbereichen – dort am besten gedeihen können, wo sich Gegensätzliches ergänzt: Harte Disziplin und lockeres Improvisieren. Chaos der Kreativen und Ordnung durch gemeinsame Spielregeln. Spontaneität und Planung. Der harmonische Gleichklang aller (Instrumente) und das schräge Solo eines einzelnen kreativen Interpreten. All diese Gegensätze schließen sich nicht gegenseitig aus. Ein Beispiel der Bestseller Autoren: Jedes Unternehmen hat ein präzise einzuhaltendes Budget. – in Ordnung! Aber ein großartiges Unternehmen ist nicht deshalb großartig, weil es ein präzises Budget hat. Seine Großartigkeit entsteht, weil die Mitarbeiter ihre Kunden begeistern, überraschen, aufmuntern, mit pfiffigen Ideen in Erstaunen versetzen und sie kompetent, mit spontaner Herzlichkeit empfangen und betreuen.

Zugegeben, das ist harte Arbeit – Führungsarbeit eben. Und es bedeutet „wachsen lassen“. Längst weiß jede gute Führungskraft, dass sie die Arbeit nicht selbst tun, die Ideen nicht alle selbst haben und nicht alle Kunden persönlich betreuen kann. Die Todsünde des typischen Vorgesetzten ist leider, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einzuspringen (schließlich weiß und kann er sowieso alles besser), die Aufgabe des Mitarbeiters zu übernehmen und – damit mehr oder weniger ungewollt Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung des Mitarbeiters zu zerstören. Na klasse! Der Chef hat wieder einmal bewiesen, dass er der Größte ist. Resultat verheerend. Stellen wir uns vor, wie der virtuose Jazzer auf der Bühne reagiert, mitten in seinem Solo, das Publikum ganz Ohr. Beim kleinsten schrägen Ton schrammt ihm der dominante Bandleader mit seinem Instrument dazwischen und spielt ihn – pfeif auf Solo! – an die Wand. Aus mit der Chance, die Sache selbst in den Griff zu bekommen und daran zu wachsen. Hand aufs Herz, wer würde diesen Bandleader dafür lieben?

Selbsttest für „Bandleader“
Testen Sie sich selbst einmal selbst, indem Sie folgende Aussagen für sich ehrlich überprüfen:
1. Ich glaube, dass jeder meiner Mitarbeiter Spitzenleistung in seinem Aufgabenbereich erbringen kann.
2. Die Achtung der Mitarbeiter und das Vertrauen in sie sind in meinem Betrieb sehr stark ausgeprägt.
3. Meine Mitarbeiter halten ihre tägliche Arbeit für wichtig.
4. Ich nehme mich zurück und agiere als aktiver Förderer von (Mitarbeiter-)Talenten.
5. Ich unterstütze jeden Mitarbeiter darin, über sich hinaus zu wachsen.

Wer allen fünf Aussagen aufrichtig zustimmen kann, hat das Zeug zum „genialen Bandleader“. Vermutlich hat derjenige deshalb auch sowieso keine Personalprobleme. Falls Sie allerdings weniger als vier Statements für sich mit „Ja“ beantwortet haben, könnte Leading-by-Jazz vielleicht der Weg zu weniger Personalproblemen sein. Also dann -– let it swing!

Die gute Nachricht am Schluss: Gute Führung ist erlernbar. Die Investition in die Führungskompetenz des Chefs und in die des Führungsnachwuchses hat noch keinem Unternehmen geschadet. Daher sind Betriebe gut beraten, speziell in die Leadership -Kompetenz ihres Führungsteams zu investieren. Sie kommt letztlich der gesamten Organisation zugute.

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